Akzeptieren Kunden im Online-Lebensmittelhandel längere Lieferzeiten, wenn sie dadurch zur Nachhaltigkeit beitragen? Dieser Frage sind wir gemeinsam mit dem Bremer Unternehmen Tante Enso nachgegangen.
Nachhaltigkeit durch optimierte Lieferprozesse
Unsere Annahme: Wenn Onlinehändler mehr Zeit für die Auslieferung haben, können sie ihre Touren effizienter planen und so CO2 einsparen (ökologische Dimension). Gleichzeitig werden Mitarbeitende entlastet (soziale Dimension), und Unternehmen können Kosten senken (ökonomische Dimension). Doch viele Kunden bevorzugen schnelle Lieferungen – wie wirkt sich also die Kommunikation von Nachhaltigkeitsvorteilen auf ihre Entscheidungen aus?
Frühere Studien (Agatz et al., 2021; Ignat & Chankov, 2020) legen nahe, dass Informationen zur Nachhaltigkeit (z. B. "Green Labels") die Wahl von Lieferoptionen beeinflussen können. Unsere Untersuchung mit Tante Enso sollte diesen Zusammenhang weiter beleuchten.
Tante Enso als Praxispartner
Tante Enso kombiniert Online-Handel mit kleinen Supermärkten in ländlichen Regionen mit 1.000 bis 3.000 Einwohner:innen, wo es sonst keine Lebensmittelgeschäfte gibt. Während die Filialen ca. 3.000 Artikel führen, bietet der Online-Shop rund 10.000 Produkte an. Die Online-Belieferung erfolgt zum Zeitpunkt der Studie über DHL und ist auf Trockensortiment beschränkt.
Innovativer Ansatz: Eine kombinierte Belieferung könnte die Filialen als "Hubs" nutzen, um Haushalte im Einzugsgebiet zu versorgen. So wäre ein Zugriff auf das gesamte Sortiment möglich, inklusive Frischwaren. Diese Methode reduziert Lieferkosten, optimiert Touren und entlastet Mitarbeitende durch planbare Arbeitszeiten. Vorausgesetzt, die Kunden akzeptieren eingeschränkte Lieferoptionen, da diese nur mit der Belieferung der Filialen möglich sind.

Die Studie: Wie reagieren Kunden auf nachhaltige Liefermodelle?
Unser Forschungsansatz bestand aus zwei Phasen:
Qualitative Vorstudie: Drei Fokusgruppen mit 6-10 Teilnehmer:innen aus ländlichen Regionen in der Nähe von Tante Enso Filialen.
Quantitative Hauptstudie: Online-Befragung im September/Oktober 2023 mit 921 Teilnehmenden aus städtischen und ländlichen Gebieten.
Zentrale Erkenntnisse: Mensch vor Umwelt
Die Ergebnisse bestätigen die bisherigen Studien: Informationen zur Nachhaltigkeit beeinflussen die Wahl der Lieferoptionen. Besonders hervorzuheben ist, dass soziale Aspekte (wie bessere Arbeitsbedingungen) einen stärkeren Effekt auf die Entscheidungsfindung haben als ökologische Argumente. Zusammengefasst:
"Der Faktor Mensch schlägt den Faktor Umwelt."
Für Tante Enso zeigen die Ergebnisse, dass eine kombinierte Belieferung nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch bei entsprechender Kommunikation für Kunden akzeptabel ist. So könnte eine nachhaltige Lebensmittelversorgung in ländlichen Regionen dauerhaft gesichert werden.
Quellen:
Agatz, N., Fan, Y. and Stam D. (2021), “The Impact of Green Labels on Time Slot Choice and Operational Sustainability”, Production and Operations Management, Vol. 30, No. 7, pp. 2285-2303.
Ignat, B. and Chankov, S. (2020), “Do e-commerce customers change their preferred last-mile delivery based on its sustainability impact?”, The International Journal of Logistics Management, Vol. 31, No. 3, pp. 521-548.
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